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Von Gerhard Consoir

Über die Gründung der St. Adelgundis Schützenbruderschaft ist folgendes bekannt: Im Herzogtum Jülich wurde schon vor 1333 regelmäßig Schatz erhoben. Dies geht aus einer Beschwerde hervor, in der ein schatzfreier Hof in Waldniel sich über seine Heranziehung zum Schatz beklagt. Als im Jahre 1350 der Herr der damals noch unabhängigen Herrschaft Arsbeck-Rödgen, der seine Wohnung außerhalb, wahrscheinlich in Köln hatte, ebenfalls eine Abgabe forderte, stellten die Schöffen ein Verzeichnis all dessen auf, was die Einwohner in den letzten drei Jahren zu Nutz und Frommen des Kirspel hatten leisten müssen. Sie klagten dabei, daß sie trotzdem noch keine Sicherheit gehabt hätten. – 1353 gründeten sie deshalb die St. Adelgundis-Schützenbruderschaft.

Die Gründung der Bruderschaft wurde also dadurch veranlasst, daß die öffentliche Sicherheit durch die Herren von Arsbeck nicht mehr gewährleistet war. Man bildete einen Selbstschutz, eine Bürgerwehr, um Familie, Hab und Gut vor Raub und Plünderung und Schlimmerem zu behüten.

Leider ist das Verständnis dafür, was die Bruderschaften damals im öffentlichen Leben bedeuteten, heute vielfach verloren gegangen. Der Aufzug der Schützen, der Vogelschuß, die Wache am Haus des Schützenkönigs, die Teilnahme von Offizieren der Bruderschaft werden meist nur als Kurzweil und heiteres Spiel angesehen. Dadurch schleichen sich Mißbräuche ein, die nicht selten schon einen mehr karnevalistischen Einschlag haben.

Man sieht in den Aufzügen nicht mehr die bewußte Erinnerung an die Zeit, als der Vogelschluß für den Schützenbruder pflichtgemäße Ausbildung mit der Waffe war, als Wachen auf den Landstraßen und an den Ortseingängen blutiger Ernst, die Begleitung des Priesters mit dem Allerheiligsten auf den Versehgängen nicht selten Einsatz des Lebens bedeutete. Daher bestand zwischen ihr und der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit eine enge Verbundenheit, wie sie das Abholen von Pfarrer und Bürgermeister zu ihren Festaufzügen ausdrückt.

Die Bruderschaft war Mittelpunkt des öffentlichen Lebens. Bruderschaftsmitglieder konnten nur tüchtige, wehrhafte und ehrliche Männer werden. Nur ihnen wurde die Sicherheit von Leben und Gut der Ortsbewohner anvertraut, und nur von diesen konnte man erwarten, daß sie auch in Ruhr- und Pestzeiten harte Pflichten, wie die Beerdigung oder Verbrennung der an Seuchen Verstorbenen übernehmen würden, um die Überlebenden vor Ansteckung zu schützen. Nachdem schon in den Jahren 1605, 1607, 1615 und während des 30-jährigen Krieges Pest und Ruhr viele Opfer gefordert hatten, starben allein im Jahr 1636 in Arsbeck und Rödgen innerhalb von sechs Wochen 175 Personen an der Pest. Nach der Chronik war dies fast die Hälfte der Einwohner. Auch der Pfarrer Heinrich Quack war  unter den Opfern.

1664, so wird geschrieben, wäre die Bruderschaft in diesen unwirten Zeiten beinahe vergangen, da nur einzelne Mitglieder übrig blieben. Das klingt uns jetzt wie ein hohes Lied auf ihren Geist und ihre Opferbereitschaft in den ersten 300 Jahren ihres Bestehens.

Wenn uns aus den Jahren zwischen 1350 bis 1700 nur wenig über das Schicksal unseres Ortes überliefert wurde, so deswegen, weil in den Kriegswirren Ende des 16. Jahrhunderts vieles verloren ging. Die damaligen Heere lebten von dem Land, durch das sie zogen. Durchziehende Truppen bedeuteten daher Raub des Viehs, der Vorräte, Plünderung und Brandschatzung, unvorstellbare Not. Was die Truppen übrig ließen, nahmen die den Heeren folgenden Marodeure und Freibeuter.

Aufgabe der Bruderschaft war es, die Bevölkerung rechtzeitig vor dem Heranziehen der Truppen zu benachrichtigen, damit sie mit Vieh und der beweglichen Habe in die Wälder flüchten konnte. Daher heißt es oft in der Chronik, wenn ein Überfall auf den Ort erfolgt war: „Die Bevölkerung war in die Wälder ausgewichen“.

Fahne von 1907Auch das 18. Jahrhundert brachte unserem Ort neben Jahrzenten friedlichen Aufbaues noch manche kriegerische Ereignisse und Drangsale. Dasselbe war Anfang des 19. Jahrhunderts der Fall. Leider gingen im letzten Weltkrieg zahlreiche Unterlagen der Bruderschaft verloren. Ein Kassenbuch von 1890 bis 1913 ist noch vorhanden. Danach kaufte die Bruderschaft 1890 eine neue Fahne. Sie wurde angefertigt von dem Maler Wilhelm Sieben aus Wassenberg zum Preis von hundertfünfunddreißig Mark. Die eine Seite trägt das Bild der allerseligsten Jungfrau Maria, die andere ein Bild des heiligen Sebastianus. Im Jahre 1907 wurde wieder eine Fahne mit dem Bild der heiligen Adelgundis und des heiligen Josef auf der Rückseite, angeschafft. Eine dritte, ebenfalls noch vorhandene Fahne, mit dem Bildnis der heiligen Adelgundis und dem des heiligen Aloysius, ist leider ohne Jahreszahl. Alle drei sind heute in einem sehr schlechten Zustand und können bei Aufzügen nicht mehr mitgeführt werden. Die Bruderschaft hat deshalb für das Jubiläumsjahr 1978 eine neue Fahne bestellt.

Die Kirchengemeinde Arsbeck hat das Glück, eine Reliquie der heiligen Adelgundis zu besitzen. Durch die Bemühungen der damaligen Pfarrers Mechenich erhielt sie die Reliquie im Jahre 1873. Sie besteht aus einer Partikel vom Haupt der Heiligen, die Pfarrer Mechenich vom Dechanten von Maubeuge erhielt und ist eingeschlossen in einer Kapsel mit dem Siegel des Erzbischofs von Cambrai, zu dessen Diözese Maubeuge gehört. Damit wird die Echtheit garantiert. Der Erzbischof von Köln hat im Januar 1874 die Erlaubnis erteilt, die Reliquie zur öffentlichen Verehrung auszustellen. Das geschah zum ersten Male am 1. Februar 1874. Seitdem rufen viele Gläubige die heilige Adelgundis am Sonntag nach dem 30. Januar bei Krebs und offenen Wunden an.

ZU den höchsten Festen der Bruderschaft gehört seit jeher die Kirmes mit ihren Aufzügen.

Bis 1909 zog die Bruderschaft am Kirmes-Dienstag noch nach Dalheim-Rödgen und machte am Bahnhof Parade. Der bis dahin zur Pfarrgemeinde Arsbeck gehörende Ort wurde am 1. 4. 1909 selbständige Rektoratsgemeinde. Am 1. 7. 1911 wurde dann die St. Rochus-Schützenbruderschaft Dalheim-Rödgen gegründet.

Wegen der Kriegsereignisse ruhten in den Jahren 1914 bis 1919 die Festlichkeiten der Bruderschaft. Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurden ihre Aufzüge kaum behindert. Allerdings waren bei Schützenfesten zusätzlich Hakenkreuzwimpel an die Fahnen zu heften, selbst beim Zug zum Festhochamt.

Nach den Richtlinien des damaligen Machthaber mußten bis zum 15. 12. 1933 alle Vereinsvorsitzenden Parteimitglieder sein oder werden. Trotz dieser „Gleichschaltung“ konnten die traditionsbewußten Arsbecker bis zum Jahre 1939 den Vogelschuß und die Kirmesveranstaltungen ungehindert durchführen. Erst nach Ausbruch des 2. Weltkrieges im Jahre 1939 fanden keine Aufzüge mehr statt, das gesamte Bruderschaftsleben ruhte.

In den ersten Nachkriegsjahren bis 1947 waren Vogelschuß und Aufzüge durch die Militärregierung verboten. 1948 durfte der – zunächst nur mit einer Armbrust – wieder geschossen werden. Seitdem ist dies – mit vier Ausnahmen – alljährlich geschehen.

Im Jahre 1953 feierte die Bruderschaft ihr 600-jähriges Bestehen im 1000-jährigen Arsbeck.